«Streaming soll nicht zum Standard werden»
Rektor Günther Dissertori hat die Dozierenden in einem Schreiben dazu angehalten, keine reinen Online-Kurse mehr anzubieten. Im Interview erkl?rt er, weshalb.
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Günther Dissertori, weshalb sollen ETH-Dozierende wieder vor allem in Pr?senz zu unterrichten?
Wir haben den Eindruck, dass im vergangenen Semester deutlich weniger Studierende auf den 皇冠体育,皇冠体育app und in die Vorlesungen kamen als vor dem Ausbruch der Pandemie. Leider auch weniger, als wir erwarteten. Natürlich gibt es die M?glichkeit, Veranstaltungen online zu belegen. Doch wir sorgen uns etwas, ob sich die Studierenden der Bedeutung der sozialen Netzwerke bewusst sind. ETH-Studien zeigen, dass sie nicht nur für das Wohlbefinden wichtig sind, sondern auch entscheidend für den Erfolg. ?Das Basisjahr besteht man nicht alleine? ist ein Spruch, der nicht von Ungef?hr kommt.
Vermissten die Studierenden den 皇冠体育,皇冠体育app gar nicht so sehr?
Ehrlich gesagt, wissen wir das nicht. Tatsache ist, dass zwei Jahrg?nge ein normales Studium mit uneingeschr?nktem 皇冠体育,皇冠体育appleben gerade erst kennenlernen. Diese Studierenden sind mit Fernunterricht sozialisiert worden.
Ist das ein Problem?
Es ist uns unwohl dabei. Wir h?ren zum Beispiel, dass immer mehr Studierende es als normal erachten, Kurse, die gleichzeitig stattfinden, parallel zu belegen – auch weil es ja Aufzeichnungen gibt. Sie schreiben sich in zu viele Veranstaltungen pro Semester ein. Und bei den Prüfungen realisieren sie dann, dass sie sich damit übernommen haben. Es gibt auch eine wachsende Erwartungshaltung, dass Streaming und Aufnahmen zum Standardangebot geh?ren.
Und das sollen sie nicht?
Streaming soll nicht zum Standard werden. Aufnahmen k?nnen sehr hilfreich sein zur Prüfungsvorbereitung, aber sie sind nur eine Erg?nzung. Die ETH ist eine Pr?senzuniversit?t – die St?rke unserer Studieng?nge liegt auch in der N?he zu den Dozierenden, zu Professorinnen und Professoren, die in ihrem Fach zu den besten der Welt geh?ren. Die Lehre lebt vom direkten Austausch mit Ihnen – und mindestens ebenso vom Austausch der Studierenden untereinander.
Es soll also keine Online-Angebote mehr geben?
Doch, natürlich. Aber wir haben die Dozierenden dazu angehalten, keine reinen Online-Kurse anzubieten, also Kurse ohne irgendein Pr?senzelement. Es gibt an der ETH seit langem Blended Learning, bei dem sich die Studierenden einen Teil des Stoffes zuhause – respektive online – aneignen und vor Ort vor allem Aufgaben l?sen oder L?sungsans?tze diskutieren. Solche Mischformen schaffen einen grossen Mehrwert für die Studierenden, eben weil sie vor Ort mehr Interaktionen mit den Mitstudierenden und den Dozierenden haben.
Was aber, wenn die Fallzahlen hoch sind?
Ob und welche Massnahmen Corona künftig erfordert, ist nicht abh?ngig von dieser Empfehlung. Mit der Empfehlung zu mehr Pr?senzunterricht m?chten wir verhindern, dass sich Studierende und Dozierende aus den Augen verlieren. Das ist eine schleichende und stille Entwicklung, die uns Sorgen bereitet.
Die Studierenden scheinen die Flexibilit?t doch zu sch?tzen?
…und die wollen wir auch nicht schm?lern, solange darunter die Leistungen und die soziale Interaktion nicht leiden. In dem Schreiben, welches wir im Austausch mit den Dozierenden erarbeitet haben, empfehlen wir den Dozierenden auch, Aufzeichnungen im Basisjahr weiter anzubieten.
Kehrt die ETH bei der Lehre jetzt wieder ganz in den Modus wie vor der Pandemie zurück?
Nein – vor der Pandemie gab es viel weniger Dozierende, welche Online-Elemente und Aufzeichnungen systematisch genutzt haben. W?hrend den schwierigen Pandemie-Semestern sind wertvolle Online-Lehrformen entstanden, die sich gut in den Pr?senzunterricht integrieren lassen. Experimente für ein Physikpraktikum etwa, die sich mit Bastelmaterial zuhause aufbauen und umsetzen lassen und durch die offene Aufgabenstellung sogar den Lerneffekt verbessern. Die Konferenz des Lehrk?rpers hat diesen Kurs mit dem KITE-Award für besonders innovative Lehrformen ausgezeichnet. Solche Innovationen sind hocherwünscht!
Wie wird künftig geprüft?
Hier kehren wir ab dem Herbstsemester zur alten Regelung zurück – mit einer kleinen Ausnahme: mündliche Prüfungen k?nnen neu auch im regul?ren Betrieb via Zoom stattfinden.
Was ist denn mit den ganz grossen Vorlesungen, die wegen Platzmangel sowieso in andere R?ume übertragen werden müssen? W?re es nicht besser, diese ganz ins Web zu verlagern?
Nein. Wir haben in den letzten Semestern gesehen, wie wichtig der Lernort für Studierende sein kann. Nicht alle haben zuhause einen Ort, an dem sie ruhig lernen k?nnen. Zudem wird das Studium nicht einfacher, wenn Studierende st?ndig zwischen physischen und virtuellen Kursen wechseln müssen. Die Pandemie hat das Studieren insgesamt verkompliziert, dem müssen wir entgegenwirken.
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